Volunteering Projektbericht | Woche 17.-23. April 2023

Die vergangene Woche war tatsächlich die ruhigste Woche, die ich hier in Nepal hatte. Die ersten 3 Tage lag ich zumeist im Bett, ich hatte mich ja während der Hochzeit letzte Woche mit einem Magen-Darm-Virus angesteckt. Während dieser Zeit haben sich meine beiden Gastfamilien rührend um mich gekümmert und waren sehr besorgt, dass ich einen Tag das Essen komplett verweigert hatte, die anderen Tage ganz vorsichtig wieder angefangen habe. Porridge ging gut, Kartoffeln mit Salz, Plain Rice, außerdem Bananen und Apfel, natürlich geschält. Ganz beiläufig wurde mir dann erzählt, dass ich gar nicht die Einzige war, die derzeit krank war. Ungefähr die Hälfte des Dorfes hatte es erwischt, meine Ehre war also wiederhergestellt und ich war nicht die über-empfindliche Europäerin! Auch Hishi fragte mich sehr verwundert, warum ich gar nichts gegessen hatte, ist das in Europa normal, wenn man krank ist? Naja, mit Magenkrämpfen zu essen ist nicht so lustig, da hatte ich doch besser gewartet, bis das Schlimmste überstanden war. Macht Ihr das nicht so? „No, when you’re sick, your body needs extra energy, so we try to eat as much as possible!‘ ‚Even when you have stomach cramps and you are vomiting?“ „Yes, of course!“ Na, da sind mir die europäischen Gepflogenheiten dann doch lieber!

 

Ab Mitte der Woche ging es mir dann auch wieder besser und ich und Hishi haben angefangen, das Kinderheim für die Ankunft unserer nun 15 Kinder vorzubereiten. Die Betten wurden frisch bezogen, die Zimmer gefegt, die Uniformen nochmals kontrolliert, ins Lernzimmer wurde noch ein weiterer Tisch gestellt, dass auch alle Kinder einen ordentlichen Platz hatten. Dawa war noch in Kathmandu, unser Jeep war im „Hospital“ und brauchte ein paar Tage, außerdem erledigte er alle notwendigen Einkäufe: es brauchte mehr Geschirr und Besteck, neue Zahnbürsten, mehr Matratzen und Bettdecken. Das Wetter war angenehm warm und sonnig, dadurch war allerdings die Luft super-staubig, so dass die eigentlich tolle Sicht vom Kinderheim nicht einmal bis zur anderen Talseite reichte. Das Licht war dadurch recht gedämpft und man hatte den Eindruck, dass es schon viel später am Tag war als die Uhr anzeigte. 

So verging die Zeit recht gemächlich, aber allmählich meldeten sich meine deutschen Gene. „When is Dawa coming back, aren’t the children coming in 2 days?“ „Dawa is coming back soon, Jeep is fixed now“ „OK, and the children??“ Mittlerweile weiß ich, dass jede Familie bei einem Lama die besten Tage für eine Reise einholt, diese können sehr variieren. Deswegen gibt es auch nicht unbedingt einen festen Anreisetag, sondern einige Tage sind hierfür möglich, und die Schule beginnt erst, wenn alle Kinder da sind. Ich weiß, dass der eine oder andere jetzt die Augen verdreht, aber so ist das hier halt und wenn sich die Schule danach richtet und der Unterricht geregelt mit allen Schülern beginnt, dann scheint das ja zu klappen. Und das ist ja einer der Gründe, die Nepal so besonders und liebenswert machen, die noch stark gelebten Traditionen! Und so warten wir geduldig, dass wir vollzählig werden, slowly, slowly!

 

Die Nepali Zeit hat uns auch etwas freie Zeit verschafft, denn Hishi und ich waren zu zweit recht zügig fertig mit allen Vorbereitungen. Und irgendwie fühlte ich mich nach 2 Monaten wachsender Haare doch nicht mehr ganz so wohl, noch einen Monat hatte ich zwar durchaus ohne Friseur geschafft – trotzdem versuchte ich mein Glück: „Hishi, is there a hair dresser in Syaphru Besi? Someone I can go to?“ „Do you want to get your hair cut?? Why???“ Das Entsetzen war echt, Frauen haben hier ja eigentlich sehr lange Haare. Dass meine Haare allgemein als viel zu kurz galten und für Stirnrunzeln sorgten, naja, Europäer sind halt schon etwas… anders. Aber dass ich die zu kurzen Haare jetzt auch noch schneiden lassen wollte, das war doch höchst befremdlich. Naja. „Dawa is coming back tomorrow morning. We could walk down to Syaphru and come back by Jeep!“ Hishi weiß, dass ich nicht gerne den Berg hoch laufe, runter macht mir nichts aus. Und so machen wir uns am folgenden Tag auf den Weg, und ich werde wieder ob meines Nepali Tempos gelobt. Runter, wie gesagt. Dann kommen wir an die Baustelle, die seit bestimmt 4 Wochen die schlimmste Stelle der Straße ausbaut. Hier bin ich mit Dawa bereits ein paar Mal stecken geblieben, bei jeder Motorradfahrt hieß es hier für mich absteigen und laufen. Die Baustelle sollte ca. eine Woche dauern, das ist jetzt bald 5 Wochen her. Nepali Zeit. Immerhin ist schon an den meisten Stellen der Beton gegossen, heute wird ein unteres Stück gemacht. Moment – da sollten wir doch mit dem Jeep hochfahren, die andere Seite über Bridhim befindet sich auch derzeit im Bau. „Hishi??“ „Oh, I forgot to tell you. We need to walk back up from here later, the Jeep can not pass“. Och ne, Dawa wollte ja Matratzen und Bettdecken mitbringen, außerdem hat er bestimmt viel Reis, Mehl und Zwiebeln dabei. Ich überlege kurz, umzudrehen, dann sehe ich doch lieber aus wie ein Yak. Andererseits bin ich ja jetzt schon die Hälfte gelaufen. „Do you want to walk down to Syaphru or go by truck?“ „By truck, of course, why?“ Hishi hat einen LKW-Fahrer von der Baustelle angesprochen, der gerade wieder Richtung Tal fährt, er nimmt uns gerne mit. Na gut, hoch muss ich ja ab der Baustelle sowieso, dann kann ich auch zum Friseur. „You want to go back or front?“ Natürlich fahre ich auf der Ladflache mit, in Deutschland geht das ja nicht. Hishi staunt wieder, dass das bei uns verboten ist, und klettert hoch. Oben gibt es am Fahrerhaus zwei Haltegriffe, die auch wirklich nötig sind! Und so stehen wir auf der Ladeflache eines LKWs und haben auf der holprigen Fahrt Richtung Tal beide einen Heidenspaß! Das letzte Stück der Straße laufen wir, und in Syaphru Besi angekommen gibt es auch mit dem Friseur keine Diskussion, dass er meine Haare schneidet. „We don’t go to the hair dresser, it is only for men. We go to the beauty parlor“ Ich fühle mich danach wesentlich wohler und habe vor allem die an den Schnitt anschließende Massage als echtes Erlebnis empfunden. Super, wieder was zu berichten! 

Anschließend müssen wir noch ein paar Besorgungen machen, meiner Wirtin ist Honig und Kaffee ausgegangen und sie bat mich darum, das in Gastro-Größe mitzubringen. Klar, mach ich gern. Der Rucksack ist voll und mir fällt wieder ein, dass ich das alles den Berg hoch schleppen darf. Puh, naja, für Passang mach ich das gerne, sie ist mir sehr ans Herz gewachsen! Und dann warten wir auf den Jeep aus Kathmandu, bei einer Flasche Mineralwasser. Und irgendwann bekommen wir einen Teller Momos, ein Einwohner aus Khamjing hat uns beide gesehen, und nach einem kurzen Austausch (er hat mich mehrmals angeschaut, gelacht und auf seinen Kopf gezeigt – Hishi fand, ich sehe toll aus!) geht er und wir haben Essen vor uns. Lehnt man ja in Nepal nicht ab. Der Teller ist irgendwann auch leer, und wir warten. Da wir früh losgelaufen sind und schnell in Syaphru waren ist es erst 11h, aber wir sitzen schon eine Weile. „Any idea where they are?“ „Earlier, they weren’t even in Dhunche yet“. Aha, das lässt jetzt viel Raum für Spekulation, noch nicht mal in Dhunche kann auch „gerade in Kathmandu gestartet“ bedeuten, ich lerne langsam die Feinheiten der Nepali Kommunikation. Langsam. Wir sitzen noch eine gute Weile, als ich plötzlich den Jeep von Nepal Aid die Straße hochfahren sehe. Sogar das Dach ist voll bepackt, daran habe ich ihn auch erkannt. Aber gut, dann geht es jetzt gleich los. Ich habe wieder vergessen, dass Nepali gerne essen und außerordentlich gesellige Menschen sind. Als die Türen des Jeeps aufgehen steigen da 8 Menschen aus, die alle aus der Gegend sind und in Kathmandu waren. Alle kommen zu uns in den Schnellimbiss, und es werden erstmal Momos bestellt, alle sind völlig geschafft von der Reise. Also gibt es für Hishi und mich auch nochmal Momos. Und dann wird geredet und erzählt. Irgendwann geht es dann zum Jeep, der für 8 Personen zugelassen ist, aber ich habe ja schon erzählt, dass auch 6 Erwachsene plus 10 Kinder reinpassen, warum also nicht 10 Erwachsene? Wir quetschen uns alle in den Jeep, der auch innen voll beladen mit Waren ist, und halten am Abzweig Khamjing wieder an. Ich steige mit ein paar Leuten aus, der Rest fährt weiter. Wir sitzen am Straßenrand und warten. Die anderen waren aus Bridhim und werden erst heimgebracht. Irgendwann geht die Fahrt dann auch für uns weiter, bis zur Baustelle. Hier wird der ganze Jeep ausgeladen, alles wird über die Baustelle zu Fuß hochgetragen, und oben sitzen wir wieder und warten. Es wurden 2 Freunde aus Khamjing mit dem Motorrad her bestellt, die die schwersten Waren übernehmen sollen. Mir kommt die Pause ganz gelegen und ich bin doch froh über mein sehr komfortables Leben im Süden von Deutschland, wo Straßen immer passierbar sind, ein Auto stets verfügbar und ein Supermarkt um die Ecke. Die Motorräder kommen und die Zwiebeln, der Reis, das Waschpulver und Mehl – alles in 10kg bis 25kg Säcken – wird verladen und festgezurrt. Die riesigen Pakete mit Matratzen und Bettdecken werden von Dawa und unserem Fahrer auf den Rücken geladen und zu Fuß hochgetragen. Das ist hier nicht ungewöhnlich und mir begegnen täglich Porter, die Waren oder die viel zu großen Rucksäcke der Touristen durch die Gegend schleppen. Trotzdem habe ich einen wahnsinnigen Respekt, den beiden fällt das Tragen auch nicht leicht. Und ich jammere auch nicht wegen meines Honig-Kaffee Rucksacks und den beiden Sachen, die ich links und rechts noch trage. Alles den Berg hoch, und heute scheint natürlich die Sonne. Ein weiteres Motorrad kommt und nimmt eine Frau mit Zwiebelsack auf dem Rücken und 2 Eimern in den Händen mit, ich beiße mich mit Hishi zusammen weiter durch. Irgendwann kommen Dawa und Tashi mit Motorrädern zurück und holen uns ab, ich bin dankbar. Sehr dankbar. Oben angekommen trinke ich eine Flasche Mineralwasser und freue mich aufs Abendessen, das ich mir heute wirklich verdient habe. Morgen werde ich nichts machen und nur den Wochenbericht für Fabian schreiben. Und hören wir Kathmandu war.