Volunteering Projektbericht | Woche 10.-16. April 2023

Nachdem ich mich einen Tag erholen konnte hatten Dawa und ich uns zur weiteren Besprechung zusammen gesetzt und beschlossen, dass wir noch einigen weiteren Kindern die Möglichkeit geben wollten, in unser Kinderhaus zu kommen. Dawa hatte noch ein paar Anfragen aus der Gegend um Tuman sowie aus Timure, das würde also eine Übernachtung brauchen. Da am Freitag eine Hochzeit im Ort anstand, bei der jeder helfen musste, entschieden wir uns dafür, gleich am Mittwoch nach der Besprechung los zu fahren. Noch schnell den Rucksack gepackt und los ging es, wieder per Motorrad, Berg runter, Berg wieder hoch. Wir schafften es auf den frühen Abend nach Tuman und hatten eine tolle Sicht auf den Langtang Lirung, der mit seinen schneebedeckten 7227m die ganze Bergkette im Osten überstrahlt. Wir bezogen unser Quartier – natülich bei einem Verwandten – und ich bekam das Zimmer mit Blick zum Langtang Lirung, was für ein unglaubliches Aufwachen sorgte!

Es dauerte nicht lang, da kamen auch schon die ersten Mütter mit ihren Kindern. Wieder war es, wie bereits das letzte Mal: ‘How old is this child???’ ‘Mother says 7 or 8’ ‘Never! I think she is 4, too young for school’ Wir hatten einen längeren Abend miteinander, und Dawa hat mir erklärt, dass in Nepal das Alter völlig irrelevant ist. Eltern schätzen das Alter, wenn sie gefragt werden, da aber die Jahreszählung nicht stattfindet, ist diese Schätzung in der Regel grob daneben. Man denkt, das Kind ist ja schon fast immer da! Außerdem haben die Jahre keinerlei Bedeutung, also werden sie auch nicht nachgehalten. Eine Registrierung der Geburt ist eigentlich vorgesehen. Eigentlich. Hier verhält es sich ähnlich, wie mit der Schulpflicht: wenn niemand kontrolliert werden die Vorgaben nicht eingehalten. So langsam verstehe ich, wie westlich meine Frage nach dem Alter der Kinder ist. Und gewöhne sie mir ab. ‘What about your age? Or the age of your children?’ ‘We guessed when they needed the birth certificate for secondary school’ Ok.

Die Kinder, die uns abends vorgestellt wurden, haben wir dann am nächsten bei ihren Familien besucht. Wieder begegnet mir die selbe warme, freundliche Herzlichkeit in den Familien. Da es mittlerweile warm ist gibt es wesentlich häufiger Cola als Tee. Und Essen. Wieder Maisbrei mit Brennessel, oder Eier, oder Nudeln. Und dann kommt wieder ein Highlight. ‘Where are we going now?’ nachdem wir 3 Kindern die Aufnahme zugesagt haben. Ich zähle nach und erinnere mich an keine weiteren Anmeldungen aus Tuman. ‘Look!’ ‘Simone! Sister! Miss!!’ Da ist Phurpu, unser 2.-Klässler und rennt mir entgegen. Normalerweise trägt er eine Mütze, jetzt ist es warm und her hat den Kopf kahl geschoren. Aber als er lacht erkenne ich ihn. Niemand hat derzeit ein so schönes Lachen wie Phurpu, beide oberen Schneidezähne fehlen. Ich drücke ihn fest ‘How are you?’ ‘I’m fine, come, come’ Er zieht mich zu seinem Haus, wo seine Schwester Tsering Dolma bereits wartet, sie gehört im kommenden Schuljahr zu den Großen bei uns, 5. Klasse. Also sitze ich mit meinen Kindern auf einem Bett und freue mich. Sie zeigen mir, was sie aus der Schule mitgenommen haben, und erzählen, was sie so den ganzen Tag machen. Dann geht es weiter zu Palmu, auch 5. Klasse, sie möchte gerne Englischlehrerin werden, und ihr fällt das Sprechen in Englisch tatsächlich von allen am leichtesten. Im Anschluss geht es dann noch zu Yangzom, die sich zunächst sehr verhalten freut. Als ich sie in den Arm nehme fällt alle Scheu und sie strahlt mich an. Wir sitzen eng beeinander und reden ein wenig. Dann kommt ihre Mutter mit einem leuchtend-pinken Schal, den sie für mich gestrickt hat, als Dank. 

Recht bald müssen wir dann auch wieder los, wir müssen den Berg runter und bis Grenze nach Timure, davor noch einen Abstecher in ein anderes Dorf, wo wir das letzte Mal ein Kind nicht besuchen konnten und versprochen hatten, zurück zu kommen. Und morgen ist ja die Hochzeit! Also los, ich werde wieder durchgeschüttelt und genieße die Fahrt. Wir halten an, besuchen die Familie. Die Mutter lebt im Ausland und die Familie hat keinen Kontakt, der Vater kann nicht arbeiten gehen da seine Kinder betreut werden müssen, Großeltern leben nicht im Ort. Auch dieses Kind nehmen wir natürlich auf, dann geht es zur letzten Familie. Wir müssen etwas warten, da die Familie auf dem Berg oberhalb von Timure lebt, dann stehen wieder 2 Kinder vor uns. Das ältere nehmen wir gerne auf, sie freut sich verhalten. Es beginnt zu dämmern und wir müssen los, kommen im Dunkeln in Khamjing an. Der Tag war aber sehr erfolgreich, wir beide freuen uns sehr. Wir haben 5 weitere Kinder aufgenommen, damit werden im kommenden Schuljahr (Nepali Kalender: 2080) insgesamt 15 Kinder bei uns lernen! 

Am nächsten Tag höre ich schon früh die Musik von der Gompa her. Als ich zum Frühstück komme werde ich gleich gefragt, ob ich später mitkomme zur Hochzeit. Natürlich komme ich mit, das lasse ich mir nicht entgehen. Also werde ich wieder in Tracht gesteckt, nach langem Suchen wurde dann auch endlich eine ‘Bakhu’  gefunden, die lang genug für mich ist. Und dann geht es zur Gompa, die noch bunter geschmückt ist mit Gebetsfahnen als sonst. Es sind alle aus dem Umkreis da, es gibt viel Essen und Trinken, es wird getanzt und man trifft sich und tauscht sich aus. Das Hochzeitspaar ist aus dem tibetischen Flüchtlingscamp oberhalb von Khamjing und aus jeder Familie wurde zur Vorbereitung dieses großen Festes beigetragen, das ganze Dorf hat geholfen. Irgendwann kann ich nicht mehr essen und gehe, ich höre die Feier noch für den restlichen Tag bis abends. 

Dawa macht sich am nächsten Tag gleich auf nach Kathmandu. Unser Jeep ist kaputt und kann unten in Syaphru Besi nicht repariert werden und muss ins ‘Jeep Hospital’. Ich hoffe, die Reparatur ist nicht allzu aufwändig. Mit kommt die Pause ganz gelegen. Bei der Hochzeit gab es viel Essen, auch ungekochtes. Ich kenne den Leitsatz ‘Peel it, cook it or leave it’, an den ich mich nach Möglichkeit auch halte. Bei der Hochzeit hatte ich nicht die Möglichkeit und bekomme dafür nun die Quittung.