Reisebericht Lower Mustang

Nachdem ich in Kathmandu nun mit Dr. Karki, dem Leiter der NMMF, ein Meeting hatte und mit Chhiring, unserer Verbindungsperson für unsere großen Kinder der weiterführenden Schule, einen ersten Austausch hatte, wolleich eigentlich noch Tsewang, den Direktor der Himalayan Kingdom School sprechen. Außerdem hatte ich mich sehr darauf gefreut, unsere ‘Großen’ dort zu sehen. Schon aus Deutschland hatten Tsewang und ich uns verabredet, ich hatte meine Treffen mit Dr. Karki und Chhiring darum herum gebaut. Am Abend meines Abflugs erreicht mich dann eine WhatsApp von Tsewang ‘Unsere Kinder hatten ja ihre Jahresabschlussprüfungen und fahren natürlich schon vor dem Wochenende heim, sind also am Sonntag gar nicht mehr da’. Ich muss gestehen, ich bin etwas enttäuscht, ich hatte mich so auf die Mädchen gefreut. Naja, hilft ncihts, ich bin in Nepal. Manchmal klappt es mit der Planung, und häufiger halt auch nicht. Dafür kommt Dawa mit Neuigkeiten ins Hotel ‘Simone, you can check-out, we will take overnight bus to Mustang, we leave at 3:30pm today’. Aha. Nagut, wie gesagt: Nepal. In Planung meiner geforderten Spontaneität 🙂 habe ich meine Reisetasche daheim schon so gepackt, dass ich meine Trekkingsachen mit einem Griff habe. 
Meine Reisetasche lasse ich in der Wohnung der Familie Lama, in der alle großen Kinder sich auf das Abitur, Uni-Prüfungen oder das Leben im Allgemeinen vorbereiten. Per Taxi fahren wir dann zu einem Busbahnhof und warten ganz geduldig, bis alle im Bus sind. Erst sieht es so aus, als ob es gar nciht voll wird, und ich freue mich schon, dass ich mich nachts vielleicht auf die beiden Nachbarsitze legen kann, wir werden ca. 20 Stunden unterwegs sein bei ca. 350km. Gegen 16h geht es dann aber los: jetzt kommen die Passagiere mit großen Taschen, Säcke mit Reis, die je 25kg wiegen – Privatverzehr, wohl gemerkt! – Zwiebeln und Mehl, Kanister mit Öl, Matratzen, Fahrradschläuche und vieles mehr. Der Bus ist klein mit 22 Sitzen, und so wird alles bis auf Höhe der Lehne im Mittelgang gestapelt. Endlich fahren wir dann auch ab. Nach ca. 2 Stunden gibt es die erste Pause. Wie soll man hier denn rauskommen? Es ist ja alles zugepackt! Es wird einfach geklettert.
Nach Mangosaft und Klo – das schon nicht sehr toll ist, aber bei weitem nicht das Schimmste sein wird, das mich erwartet – klettern wir wieder zurück auf unsere Plätze. Weiter geht es aber nicht, draußen disktutiert der Busfahrer mit einigen Passagieren. ‘What do they argue about, Dawa?’ ‘About price for luggage’ ‘What, now?? And if they don’t aggree???’ ‘Then we will wait here until they are all happy’. Na, dann mach ich’s mir mal bequem, kann ja noch etwas dauern.
Als dann alle ‘happy’ sind kann es weiter gehen. Denke ich. Jetzt beginnt wieder eine Diskussion unter den Passagieren und dem Busbegleiter, bei der es sich um den Sitzplatz dreht. 
Man kauft die Fahrkarte mit Sitznummer und ich denke deutsch, da setzt man sich dann halt auch hin. Ne, tut man nicht, nicht in Nepal. Eine Frau weigert sich, den Platz frei zu machen, auf dem eigentlich ein Mann sitzen sollte. Dann fragt der Hintermann, ob sie tauschen sollen, er sitzt auch am Fenster. Die Frau stimmt zu, steht auf, checkt die Sitznummer und schüttelt wild den Kopf, setzt sich wieder auf den ihr nicht zustehenden Platz. Ich vermute, dass die Platznummer nicht gut ist, auch so etwas spielt hier eine große Rolle. Jetzt schaltet sich eine Mutter mit Baby ein, sie ist auch unzufrieden mit ihrem Platz, würde wohl aber den Fensterplatz annehmen, wenn der zur Verfügung steht. Blöd ist, dass sie einen Platz am Gang hat und durch Gepäck etwas eingequetscht, den will der Fensterplatz-Besitzer nicht. Aber eine alte Frau würde ihn nehmen…. Ungelogen dauert diese Rochade über 20 Minuten, bis alle glücklich sind. Ich bin fasziniert, das war echt toll. Bei uns wäre das wesentlich aggressiver abgelaufen, ganz davon zu schweigen, dass Unbeteiligte sich einschalten und ihre Plätze als Tausch anbieten!

Irgendwann fahren wir aber weiter und gegen 21h gibt es den Stop für’s Abendessen, natürlich Dal Bhat! Das Essen ist nicht unbedingt für Touristen gedacht und ordentlich scharf, aber sehr lecker! Die nächsten Stunden verbringe ich halb schlafend, halb wach und freue mich bei Sonnenaufgang über die steilen Berge links und rechts der Straße, dazwischen gibt es einen Fluss. Es sieht nicht anders aus als rund um Khamjing. Bis Jomsom, dem Flughafen und ‘Tor zu Mustang’, weitet sich das Tal dann erheblich, in der Mitte das sehr breite Flussbett (vielleicht so 300m – 400m breit?) mit einem kleinen Bach, der sich durch die Kiesel meandert, immer mal teilt und wieder zusammenfindet, die Hänge sind recht karg bewachsen. Wo immer eine Ansiedlung ist wird es sehr grün, vor allem kleine Felder, Weidenbäume entlang dess Flusses, und zahlreiche Apfelplantagen. Mustang ist bekannt für seine Äpfel, sozusagen Nepals Bodensee. 🙂
Mittags kommen wir dann in Kagbeni an, unserer ersten Station. Und was soll ich sagen: es ist wahnsinnig toll hier! Seit 40 Jahren möchte ich nach Mustang, das damals noch ein autonomes, winzig-kleines Königreich zwischen Tibet und nepal war, und Touristen verschlossen. 2008 hat sich Mustang mit Ende der Monarchie langsam für Touristen geöffnet, ist aber aus verschiedenen Gründen noch nicht sehr bekannt unter westlichen Reisenden, häufig werde ich die einzige Weiße sein. Mustang ist super-trocken, im Prinzip eine Wüste, da im Süden der Hauptkamm des Himalayas mit Nilgiri (über 6000m) und Dhaulagiri (über 80000m) als Teil der Anapurna Range nur ein kleines Tor als Einlass in die Hochebene von Mustang lassen. Im Norden liegt das tibetische Hochland mit über 5000m, und so liegt Mustang im absoluten Regenschatten. 

Nur der Fluss in der Mitte, der sich wie bereits erwähnt sehr breit ins Tal gegraben hat, sorgt immer da, wo Menschen leben, für Grün, ansonsten ist es sehr karg. Um nicht zu sagen: es gibt nichts, gar nichts! Und so lenkt das Auge auch nichts ab von den krassen Felsformationen, die sich links und rechts des Flusses 200m oder 300m hoch auftun, von dem Farbspiel der Felsen, das sich zwischen hellem Grau, Ocker und Terrakotta bewegt. Durch Winderosion sind hier beeindruckende Felsnasen und -nadeln entstanden, die durch ihre Schattierungen in der kommenden Woche immer wieder den Atem rauben werden. Die Bewohner sind ursprünglich Tibeter, und so fühlt sich Dawa fast wie daheim. Das Essen ist auch mir geläufig, es gibt Thentuk, Momos und Chhampa. Dawa freut sich, als er auch mal Buttertee angeboten bekommt – und ich, dass ich da schon eine Tasse Milktee vor mir stehen habe… Dawa spricht hier seine Muttersprache, Tibetisch, die Religion ist der tibetische Buddhismus. Selbst die Tracht der Frauen, die Baku, ist nahezu identisch zu der in Khamjing, nur wird die Wollschürze hinten Diagonal, mit der spitzen Seite nach unten, getragen.
Nachdem wir in Kagbeni unserer Zimmer bezogen haben laufen wir los und sehen uns den alten Dorfkern an. 1-stöckige, rechteckige Häuser mit Flachdächern, auf denen das Holz und der Dung für’s Kochen gelagert wird. Geheizt, für den eigenen Komfort, wird in Mustang nicht, das werde ich schon sehr bald feststellen: es g
ibt kaum Bäume, das wenige Holz wird z.B. für den Bau benötigt, Haupt-Energieträger ist Dung. Das Leben hier ist echt mühsam, aber so richtig! Meistens werden wir uns zwischen 3500m und über 4000m bewegen, Jomsom, das Tor zu Mustang, liegt auf Zugspitzen-Höhe, danach steigt Mustang nur noch an. Dazu fegt ab Mittag immer ein sehr starker Wind über das Land hinweg.
Zurück zu Kagbeni, wir besichtigen auch das ca 600 Jahre alte Kloster, ein junger Mönch (Lama) führt uns. Mir ist das alles Alles aus Bhutan bereits bekannt, und so freue ich mich über ein Wiedersehen mit Guru Rinpoche, den den Bhuddismus nach Tibet brachte, über die grüne Tara und die wunderschönen Thankas.
Nach dem ersten Tag bin ich mir schon sicher: der Trip nach Mustang war genau richtig!