2. Projektbericht 2025

Per Jeep kommen wir morgens in Tatopani an, wir sind von Jomsom aus in weniger als 3 Stunden in einem suptropischen Garten gelandet. Mir tut die üppige Vegetation jetzt doch etwas gut und ich freue mich an den Bougainvilleas. Dawa möchte gleich zu den heißen Quellen und sich den ganzen Dreck abwaschen, für mich ist so ein nepali Massenbad gar nichts. Tatopani heißt Heiße Qulle (Tato = heiß, Pani = Wasser), es gibt in ganz Nepal Orte mit diesem Namen. In den Bergen gibt es einige Plätze, wo heiße Quellen aus dem Boden kommen, sie werden in der Regel als öffentliches Bad genutzt. Das bedeutet Betonbecken und viele Menschen, Dawa erzählt mir später, dass man auch gemeinsam in Räumen sitzt und redet. Also doch sehr wie unsere Termalbäder, aber ich ziehe trotzdem eine Dusche im Hotel vor. Danach möchte ich nicht mehr in meine staubigen und verschwitzten Kleidern, auch meine Lowas nerven mich. Hier ist es Sommer, ich möchte Kleider, die sauber und leichter sind. Also gehe ich zunächst einkaufen. Es gibt ein Geschäft mit Touristensouvernirs, darunter auch Bekleidung, die kurz vor der gebatikten Hose der Hippie-Touristen ist. Aber sauber, Jeans gibt es im Ort nicht. Also kaufe ich mir eine graue Stoffhose mit bunten Streifen an den Außennähten und ziehe weiter. 
Ja, Tshirts und Schuhe gibt es, am anderen Ende im ‘Fancy Tatopani’ – der Name lässt ja hoffen. Also gehe ich die Straße runter und finde besagtes Geschäft, ein Tshirt ist schnell gefunden. Socken gibt es auch, meine Wandersocken möchte ich nicht mehr – und jetzt brauche  ich noch Schuhe. Mit Händen, Füßen und wenig Worten mache ich klar, was ich suche, da schaut mich der Besitzer des Geschäfts völlig entsetzt an, schüttelt den Kopf. ‘We do not have that size, not THAT big!!’ Also Entschuldigung, solche Quadratlatschen habe ich nun auch nicht! Größe 40, damit liege ich immer noch unter der 41 von Dawa, irgend ein Turnschuh wird doch wohl aufzutreiben sein. Der Besitzer kruschtelt etwas und kommt strahlend mit einem weißen Paar Turnschuhe zurück ‘Only pair’. Weiß. Na gut, die Farbe wird nicht lange bleiben, aber sie sind wunderbar leicht und bequem und passen. Ich schau sie mir an, NOKA Turnschuhe. Ich muss grinsen, sie sind also aus China. Hier werden Kopien aller großen Marken hergestellt, die durch leichte Änderung der Markennamen dann doch keine Kopien mehr sind. Deshalb laufen so viele Nepali auch in Mammut, Arcteryx oder der Summit Series von NorthFace herum. 
Bei näherer Betrachtung handelt es sich dann aber um Arcterix, Mamut oder Norht Face. Durch Nutzung des Bekannten Schriftbildes fallen die Buchstabendreher gar nicht auf, und so bin ich nur stolze Besitzerin von NOKA Sportschuhen. Egal, ich fühle mich sehr gut, als ich nach der Dusche in frische und vor allem leichte Kleider schlüpfen kann. Dawa lacht, vor allem meine Hose findet er – nun, bemerkenswert. Wieviel ich für alles gezahlt habe? Ich nenne ihm den Preis, er findet alles maßlos überteuert. ‘I told you to bargain!’ Ja, habe ich ja auch. Ich bezahlt, was ich angemessen fand, ich habe den Preis auch um ca. 1/3 gedrückt, aber ich kann nicht um die letzten 100 Rupien feilschen. Für mich ist das nicht mal ein Euro, für einen Nepali aber ein  ganzes Mittagessen. Ich muss nicht mit stolz-geschwellter Brust bis auf die Schmerzgrenze runter und finde, so hat jeder von uns seine Ehre behalten. Als ich das Dawa erkläre guckt er freundlich. Beim Abendessen später sagt er mir dann, dass ich vielleicht doch ein keines bisschen Recht habe. Von Tatopani aus geht es weiter nach Pokhara. Die 2. größte Stadt Nepals mit ca. 1/2 Mio Einwohner liegt an einem recht großen See auf ca 800m Höhe und gilt als Ausgangspunkt für viele Wanderungen, am bekanntesten ist vielleicht der Anapurna Circuit. Der See mit den weißen Bergen im Hintergrund und den bunten, spitzen Booten ist recht bekanntest Fotomotiv – meins ist die Stadt nicht. Es ist eine Touristenstadt mit vielen Souvernirläden,, Trekkingagentouren und Bars und Nachtclubs, die Menschen sind eine wenig bunte Mischung aus mittel-alten Trekkiingtouristen und Hippie-Partypeople. Es ist laut und nicht sehr sauber, mir gefallen andere Orte in Nepal besser. Wir sitzen in einer der unzähligen ‘German Bakeries’ am Seeufer in einem tropischen Garten, das ist schon schön. Bei Kuchen und Kaffee aus der Siebträger-Maschine warten wir auf den Touristenbus zurück nach Kathmandu. Nach Pokhara sind wir noch per Überlandbus gekommen, die Rucksäcke waren auf das Dach geschnallt, es hat geruckelt und gewackelt wir gewohnt. Weiter geht es dann im klimatisierten, gut gefederten Bus mit Polstersitzen, wir sind fast 8 Stunden unterwegs, über den Pokhara-Kathmandu-Highway. Naja, ob Highway so angemessen ist lasse ich mal dahingestellt, ich habe mich schon öfter über die Straßenverhältnisse ausgelassen, aber der Bus bietet wesentlich mehr Komfort. Dennoch sind wir bei Ankunft in Kathmandu erstmal gerädert und nehmen ein Taxi zu Dawas Wohnung. Sonam, seine Nichte und die Tochter von Pasang und Tashi, meinen Wirtsleuten aus Khamjing, erwartet uns bereits. Heute gibt es Momos, also sitzen wir in der Küche und bereiten das Abendessen vor. Danach gehe ich sofort ins Bett. Ich bin traurig, dass das Abenteuer Mustang vorbei ist, Dawa hat es für mich zu einem außergewöhnlichen Erlebnis gemacht, ich freue mich auf Khamjing und ich bin sehr, sehr müde.

Am nächsten Tag machen wir morgens ein paar Besorgungen, unter anderem möchte ich mir einen Motorradhelm kaufen. Wir fahren per Motorrad nach Khamjing, das möchte ich nicht ungeschützt. Außerdem benötigt Dawa Stoff, um eine Gebetsfahne nähen zu lassen – man kann fast nur noch chinesische Produkte aus Kunstfasern kaufen, der Lama bittet aber um Baumwolle -, meine Reisetasche soll im Hotel zwischengelagert werden, bis ich wieder in Kathmandu bin und heim fliege, wir benötigen Fleisch und einiges mehr. Und zwischendrin nimmt mich Dawa noch schnell mit zu einem Kloster, mitten in der Stadt, wunderschön wie immer, aber auch völlig unerwartet, um 2 Ecken rum. Ich meine, dass ich hier in der Gegend vor 2 Jahren mit Frank das Holi Festival gefeiert habe, dieses Kloster mit nicht kleiner Stupa habe ich aber noch nicht gesehen. Mittags gibt es noch ein paar Momos, die von gestern übrig sind, dann geht es auch schon wieder los, dieses Mal (mit Helm 😎) zur Himalayan Kingdom School, das Treffen mit Tsewang hat nun doch noch geklappt. 

Ich werde gewohnt freundlich vom Leiter unserer weiterführenden Schule empfangen, wir tauschen uns ca 1 Stunde über die Mädchen aus. Geht es Ihnen gut, wo können wir unterstützen, und wie geht es denn der Familie? Zum Abschied möchte Tsewang mich zum Abendessen einladen, es wäre ihm und seiner Frau eine Freude, heute ist Nepali Silvester. ‘Dawa, do we have time?’ Ich gehe da nicht alleine hin, und so ist Dawa automatisch eingeladen. ‘Yes, of course we do’ Dawa isst sehr gerne und häufig und freut sich. Was ich denn für Essen bevorzuge, nepali, koreanisch oder doch besser chinesisch? Ich lasse Tsewang die Wahl und bin gespannt, was es denn abends geben wird. Am späteren Nachmittag erhält Dawa dann die Adresse und schnalzt mit der Zunge. ‘This is realy expensive place, Simone, he really means well!’ Na super, wir gehen teuer essen und ich habe dreckige Turnschuhe, Jeans, Tshirt und eine vor Dreck starrende Softshelljacke als Bekleidung. Alles andere ist im Hotel in meiner Reisetasche. Also sind wir abends wieder unterwegs und halten vor einer teuren Mall gegenüber des Königspalastes, hier war ich auch schonmal. Ganz oben ist ein Restaurant, ‘Himalayan Coffee’, es scheint also nepali Essen zu geben, prima. Angekommen werden wir von Tsewang in Anzughose und Hemd, und seiner Frau in gebügelter Bluse und mit hübschem Goldschmuck empfangen. Ich schiebe meine Turnschuhe unter den Sitze, sie sind nicht mehr weiß, und ziehe bis auf’s Tshirt alles aus, das ist frisch und ein wenig hübsch. Und dann kommt die Karte, und ich hoffe sehr, dass meine Enttäuschung nicht allzu offensichtlich ist. Es gibt Burger, Pasta und Pizza. Meine Gastgeber und Dawa finden das super ‘We thought you might like some European food, you must have had so much Dal Bhat by now!’ ‘Very thoughtful, yes, of course, what a nice idea’ lüge ich. Der Abend wird trotzdem sehr nett und Tsewang erzählt von seinen Reisen und Familie, ich erzähle von Mustang und meiner Tochter, und Tsewang lobt sehr ausführlich den Ansatz von NepalAid, in einem kleinen Gebiet tätig zu sein mit einem Projekt, das den Menschen wirklich hilft. ‘It is good the children are in the mountains first. They need to grow roots before the can spread their wings!’ Ich mag Tsewang sehr, wir haben häufig ähnliche Sichtweisen und Ansätze, und der Abend wird wirklich sehr nett. Trotz des Chickenburgers.
Und dann geht es endlich nach Khamjing! ‘I have surprise for you at home!’ Aha, was denn? Ich möchte ein Meeting mit Dawa und Pramod, unserem Childhome Manager und Vertreter Dawas, außerdem möchte ich den Bürgermeister Syaphru Bensis treffen, mehr nicht. Meine Kinder sind noch in den Ferien, und dort sollen sie auch bleiben, es ist wichtig dass sie so viel wie möglich bei ihren Familien sind. Und so fahren wir per Motorrad wieder gen Berge, ich habe meinen Trekkingrucksack auf dem Rücken mit Wecheselkleidern für 4 Tage. Nach ein paar Stunden wird der doch recht schwer, meine Knie tun weh und mein Rücken könnte auch mal eine Pause vertragen, so bin ich froh dass wir in Trishuli auf etwa der Hälfte des Weges unsere Mittagspause einlegen. Dal Bhat, und nein, ich werde es nicht müde und freue mich wieder über ein leckeres Essen. Am frühen Nachmittag erreichen wir Dhunche, jetzt kenne ich mich wieder aus! Als wir dann in Syaphru ankommen fahren am Haus unseres Fahrers Baisano vorbei, der steht grade vor der Tür und winkt, ich winke zurück. Es hat sich nichts verändert, wie schön – oder doch?! Am nördlichen Ende des Ortes thront jetzt eine große, goldene Buddha-Statue, die ist neu! Dann geht es vom Highway runter und den Berg hoch, noch die letzte Kurve und wir sind endlich da, in Khamjing, ich freue mich sehr. Pasang und Tashi  begrüßen mich warm wie gedacht und bringen mir erstmal einen MilkTea ‘You like that, right?’ Ja, trinke ihn sehr gerne und bin ein wenig gerührt, dass das noch behalten wurde. Dawa komt ‘You stay here, I come at 5pm. Have a shower and relax’ Öhm – ok. Und Kami, Dawas Frau? Und Pramod? Darf ich kurz Hallo sagen? Nein, ich soll duschen. Pfff, dann dusch ich halt.
Um 5 Uhr kommt Dawa und holt mich ab, grinst. Wir laufen die Treppen runter, um die Kurve – da sehe ich alle meine Kinder! Ich heule fast ‘But they are on holidays! And look, all the big girls as well!’ ‘I thought you are happy when children are here, one night we celebrate Nepali New Year all togehter’ Ja, die Überraschung ist mehr als gelungen, ich bin völlig gerührt. Für einen Tag hat Dawa die Kinder aus ihren Familien geholt, ich werde zuerst nepali begrüßt – mit Schal und ganz ordentlich – dann tanzen die Kinder für mich. Ich lasse das alles über mich ergehen und warte geduldig, dann gibt es Tee. Jetzt setze ich mich zu den Kindern auf die Bank und kann mit ihnen sprechen, es dauert nicht lange da habe ich die ersten im Arm und alles ist wie immer. Wir haben einen wunderschönen Abend mit Dal Bhat (ja!) und Spielen, mit Gesprächen und mit einem Bollywood Film, dann gehe ich schlafen. Am nächsten Morgen fangen wir dann an, Momos zuzubereiten. 6kg Fleisch, ein riesiger Berg Teig – wir sind insgesamt 22 Personen und sitzen entsprechend lange an der Zubereitung. 
Zwischendrin rede ich mit meinen Kindern, spiele mit ihnen und nehme in den Arm. Ich lobe und ermahne zu dem, was ich so das Jahr über gehört habe und freue mich sehr darüber, dass die Kinder mir immer noch so nah sind, nachdem sie mich das ganze Jahr nicht gesehen haben. Die Momos schmecken uns allen sehr, danach brechen die Kinder wieder auf. Baisano, unser Fahrer, bringt sie runter nach Syaphru, von dort werden sie von ihren Eltern abgeholt. Die Verabschiedung wir sehr innig, zunächst stehen wir wieder als ‘Haufen’ auf der Terrasse, dann nehme ich nochmal jedes Kind einzeln in den Arm. Es ist so schön zu sehen, wie sie sich entwickeln, älter werden und auch, wie ich zunehmend mit ihnen sprechen kann, je weiter sie in der Schule kommen. Ich verdrücke die eine oder andere Träne bei der Verabschiedung und bin froh über meine Sonnenbrille als alle weg sind, nur Kami kann ich nicht täuschen. Sie lacht mich aus und sagt etwas auf Nepali, Dawa und Pramod schütteln wild den Kopf. ‘Kami says you are sad, crying?’ ‘A bit, perhaps…’ Völliges Unverständnis bei den beiden Jungs, wir hatten doch eine schöne Zeit?! Ja, naja, ich werde die Kinder erst in 1 Jahr wiedersehen, ich vermisse sie schon jetzt, aber die Überraschung war so toll, ich bin sehr, sehr dankbar! Und happy.
Nun folgt noch das Meeting mit Dawa und Pramod, ich möchte hören wie das letzte Jahr war und Gedanken zum Kommenden austauschen. Ich erkläre immer mal wieder deutsche Sichtweisen, begründe Vorgaben und höre mir die nepali Seite an, wo können wir uns treffen? Ich freue mich über Ideen der beiden und versuche zu bremsen, wo sie vielleicht etwas über das Ziel hinausschießen, genau so machen es die beiden mit mir. ‘We are in Nepal Simone, how do you expect us to do that?’ Hm, stimmt, manches ist halt auch einfach anders als in Deutschland. Mir machen diese Meetings meistens viel Spaß, ich lerne unheimlich viel über die unterschiedlichen Sichtweiseen, hinterfrage meine Prägung und freue mich jedes Mal, wenn wir auf einen Nenner kommen. Und das schaffen wir meistens, im schlimmsten Fall einfach, weil Dawa mir einen Gefallen macht und zähneknirschend hinnimmt, dass er sich uns anpasst.
Zum Schluss treffe ich noch den Bürgermeister zum Mittagessen – genau, Dal Bhat – ich möchte ihn um etwas Unterstützung bitten. Ja natürlich, was immer ich brauche wird er versuchen, zu ermöglichen. Nur finanziell kann er leider nichts für uns tun, seine Mittel sind auf die nächsten 2-3 Jahre völlig erschöpft, aber er freut sich sehr darüber, dass wir in seiner Gemeinde so eifrig unterstützen. Dennoch gibt er mir einige Tips, die uns weiterbringen, und wir verabschieden uns auch hier mit ‘See you next year’. Dann ist mein Aufenthalt in Khamjing schon vorbei, übermorgen geht nach Flug nach Frankfurt. Eigentlich bin ich noch gar nicht so weit, Abschied zu nehmen, ich habe mich wieder unglaublich wohl gefühlt. Aber meine Familie in Deutschland wartet, Ostern steht vor der Tür. Und so sitze ich bei Dawa auf dem Motorrad und wir fahren gen Kathmandu. Ich genieße die Fahrt wie immer, ab Kalikasthan wird es warm, wir sind aus den Bergen raus. Wir legen ein paar Pausen ein, für Tee und Klo, für’s Mittagessen und einfach zum Ausruhen, die letzten Tage waren doch sehr fordernd. Zum Schluss geht es noch um eine Kurve und dann folgt der erste Blick auf Kathmandu, schließlich kommen wir am Hotel an. Ich organisere mich für den nächsten Tag und nach einem sehr frühen Frühstück holt Dawa mich ab. Am Flughafen übergebe ich ihm meinen Motorradhelm ‘For next year’ und verabschiede mich. Ich konnte in einigen Gesprächen verschiedene Projekte etwas voranbringen, hoffe ich, vor allem aber konnte ich wohl   die Verbindung zwischen NepalAid und Projektpartnern stärken. Es ist immer gut und richtig, ins Gespräch zu gehen, sich auszutauschen und Verständnis für das Gegenüber zu erlangen, um dann miteinander die Gemeinsamkeiten zu finden. So steige ich nicht unzufrieden ins Flugzeug. Auf die Durchsage ‘Due to an expected high number of departures, we will be delayed by 1 hour’ muss ich doch grinsen – Flugpläne werden im Voraus gemacht, ganz so ‘unexpected’ können die Abflüge nicht gewesen sein. Nepali planning ❤️