1. Projektbericht 2025
Eigentlich wollte ich ja wieder im März nach Nepal. Da meine Kinder Ende März in die langen Ferien gehen ist das der beste Zeitpunkt um sicherzustellen, dass ich alle sehen kann. Danach sind dann erstmal Ferien, so für 6 oder 8 Wochen. Oder auch länger, je nach dem – wir sind in Nepal, da ticken nicht nur die Uhren anders! Dann ist etwas dazwischen gekommen und ich musste last minute meine Pläne über den Haufen werfen, so dass ich erst Ende März los bin und nach einer späten Landung am 30.3. meinen ersten Tag in Kathmandu hatte. Und was soll ich sagen – es ist einfach nur wunderbar, wieder zurück zu sein!
Dawa hat mich gestern vom Flughafen abgeholt. Nach einer herzlichen Begrüßung – nepali, mit Schal, dann deutsch, mit Umarmung – fanden wir recht schnell wieder in unser fröhliches Miteinander. ´Will I call a taxi, Simone?ˋ ˋAny alternatives???ˋ Ich hoffte ja sehr, dass die Antwort darauf ja ist, denn ich freute mich seit Wochen wieder auf das Motorrad. ‘Well – I have my bike here…’ und grinst. Es brauchte keine Antwort, Dawa rennt schnell los und holt das Motorrad, das nach einem weiteren Jahr doch recht mitgenommen aussieht.

Er nimmt meinen Rucksack, ich habe meine Reisetasche auf dem Rücken, und los geht’s. Es ist recht warm und ich überlege, ob das Verschieben nicht doch eine gute Idee war. Wenn ich hier Anfang März ankomme ist die Sonne zwar schon recht warm, aber der schneidende Wind aus den Bergen und jeder Aufenthalt im Schatten zeugen davon, dass der Winter noch gar nicht so lange her ist.
Im Hotel angekommen gehe ich sofort in’s Bett, ich bin seit weit mehr als 30 Stunden auf den Beinen und möchte nur noch schlafen. Im Bett fühle ich mich super wohl – und denke an letztes Jahr, als ich trotz zusätzlicher Decke wahnsinnig gefroren habe, selbst die Matratze war damals eiskalt. Vielleicht ist April tatsächlich die bessere Wahl!
Am nächsten Morgen treffe ich Dawa zum Frühstück, wir besprechen, wie es in den nächsten Tagen weiter geht. Ich möchte dieses Jahr nach Mustang, ein super-lang gehegter Wunsch von mir, Dawa wird mich begleiten. Hierfür benötigen wir noch mein Permit, ohne das ich nicht in die Region Upper Mustang einreisen darf, außerdem müssen wir besprechen, wie wir dort hin kommen. Per Bus von Kathmandu nach Pokhara, eine Übernachtung, und weiter nach Jomsom? Das dauert 2 Tage. Oder direkt nach Jomsom, der Bus hierher dauert 1,5 Tage. Ich finde ja, wenn einem das Leben Abenteuer bietet, dann sollte man zugreifen. Ich bin in Nepal noch nie Bus gefahren, ganz davon zu schweigen, dass ich das über Nacht und für über einen Tag gemacht habe – also, wir fahren direkt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich zu einem späteren Zeitpunkt hierfür verfluchen werde. Entweder, weil mir alles weh tun wird oder weil ich nach so viel Zeit im Bus genervt bin (ich bin ja erst so lange geflogen…) oder weil ich übermüdet und ungewaschen in meinene Trek starten darf. Aber egal, jetzt grade fühle ich mich mutig. Dawa findet das glaube ich doof, zumindest guckt er freundlich – das bedeutet immer etwas Mismut. Hätte er halt nicht gefragt. Nach dem Frühstück zieht Dawa los und besorgt mein Permit und die Fahrkarten, ich schlendere über den Thamel. Mittlerweile kenne ich mich ganz gut aus und genieße diese Mischung aus Studiosus-Touristen, Studenten und alternativen Menschen, die mich mit ihrer gebatikten Kleidung und Dreadlocks immer an Zuhause erinnern 😍. Ich besorge ein paar Dinge, ich benötige neues Guthaben für mein Nepali-Handy, das hier über kleine Pappkarten mit PIN erstanden werden kann, Wasser, Snickers und Klopapier. Ich habe gelernt, immer etwas dabei zu haben, denn wenn ich mit Dawa unterwegs bin lande ich seltenst auf europäischen Toiletten.
Danach geht es in’s Mediciti Hospital, ich bin mit unserem Kooperationspartner für das Rettungsflug-Projekt verabredet, ich habe ihm einiges von Frank Seiler mitgebracht. Der Empfang ist auch hier sehr freundlich, wir sprechen bei Cappucino und Apfel über unsere Projekte, unsere Kinder und Mustang. Immer wieder wird ein Arzt her zitiert, dem ich freundlich die Hand schüttele ‘Miss Simone, she is from NepalAid in Germany and working for Dr. Frank’. Naja, ich lass das an dieser Stelle mal so stehen und grüße hiermit fröhlich meinen Lieblings-Chef! 👋 Jedenfalls bin ich jetzt in unzähligen neuen Handys eingespeichert und hoffe inständig, dass ich nicht weiterhin mit gleicher Frequenz gegrüßt werde, wie das im Moment der Fall ist, ständig kommt eine WhatsApp ‘Dear Miss Simone, it was such a pleasure meeting you!’…. Nach einem gelungenen Meeting, in dem wir ein paar Gedanken zum weiteren Vorgehen austauschen konnten, möchte ich noch zur Bodinath Stupa, eines der 3 Weltkulturerben in Kathmandu. Boda, wie es die Nepali kurz nennen, ist die größte Stupa nach tibetischer Bauart außerhalb Tibets und eines das oder vielleicht sogar das größte Heiligtum auch der Tamang. Als wir uns nähern erkenne ich schon die ersten Frauen in Baku, die Tracht in unserem Langtang- und Tamang-Gebiet, und sehe ein paar weiße Wollmützen, die mir nur allzu bekannt sind. Wie schön! Ich steige aus und finde, die erhabene Stupa grüßt mich ebenso freudig, wie ich es tue. In aller Demut, selbstverständlich. Ich schließe mich den Gläubigen an und umrunde die Stupa einmal im Uhrzeigersinn. Die Gebetsmühlen drehen sich und aus ein paar Geschäften rieche ich schon das abendliche Räuchern, das täglich 2x für die Ahnen durchgeführt wird. Denn dort, wo sie sich nach dem Tod aufhalten, gibt es keine Gerüche und sie sehnen sich danach. Also schicken die Hinterbliebenen jeden Tag etwas ‘Geruch’ zu ihren Ahnen, dass sie es auch schön haben. Ich mag den Gedanken.
Am nächsten Tag bin ich mit Chhiring verabredet, wir kennen uns seit meinem ersten Aufenthalt in Nepal, 2023 noch als Freiwillige. Frank hatte uns einander vorgestellt, uns verbindet so Manches und so halten wir auch das ganze Jahr über Kontakt, dieses Mal werde ich ihre beiden Kinder das erste Mal kennenlernen. Wir haben uns wieder bei Bodha verabredet, sie wohnt dort und ich mag die Stupa einfach wahnsinnig gern. Falls ich das noch nicht erwähnt habe. Zwischen dem ganzen Gewusel aus Gläubigen und Touristen dauert es etwas, bis wir uns gefunden haben, aber es klappt und wir freuen uns. Ihre Kinder, im Grundschul- und Kindergartenalter, sind sehr skeptisch, aber laufen erst einmal alle gemeinsam ein paar Runden um die Stupa. So nehmen die Beiden einfach hin, dass ich jetzt wohl dabei bin, laufen mit und beäugen mich. Nach einiger Zeit die typisch nepali Frage: ‘Do you want tea, are you hungry?’ Wir gehen in ein lokales Restauran und bestellen Buff Momos für alle, dazu Milk Tea, den ich so gerne trinke. Mit Blick auf die weiß-leuchtende Bodha essen wir unsere Momos und Chhirings Tochter liest mir aus der Karte vor und zeigt, wieviel sie in den ersten beiden Schuljahren schon gelernt hat. Nicht vergessen: die Kinder lernen häufig Nepali als Fremdsprache, zumindest aber die nepalesische Schrift, und parallel dazu gleich das Englische mit unserer Schrift. Ich finde, da ist es doch allerhand dass die Kleine nach 2 Jahren lesen kann, was es so alles Leckeres gibt und meine (einfachen) Fragen beantwortet! Nach einiger Zeit kommen Chhiring und ich dann auch zum Dienstlichen. Sie ist sozusagen als Verbindungsperson für unsere Schule in Kathmandu angestellt da sie hier wohnt und schnell sowie häufiger nach unseren Kindern sehen kann. Es ist gut, wenn wir eine Vertrauensperson vor Ort haben, die schnell und unkompliziert sicher stellen kann, dass alle Kinder vernünftig ausgestattet sind. Sollte einem Kind mal z.B. eine Winterjacke fehlen, dann springen wir ein, auch noch wenn die Kinder unser ‘Nest’ in Khamjing verlassen haben. Außerdem möchte ich, dass Chhiring auch in Kathmandu weiterhin mit unseren Kindern zum Zahnarzt geht, und auch bei allen anderen großen und kleinen Fragen soll sie einspringen, wenn es im Rahmen unserer üblichen Hilfe ist, und einfach ein Auge auf alles haben. Sie hat gerade erst angefangen aber versucht bestmöglich, sich zu organisieren, derzeit stehen keine offenen Fragen im Raum. Die Kinder hat sie bereits zusammen mit Dawa kennengelernt, das hat gut geklappt, und so gibt es hier keine Probleme zu lösen, das freut mich. Irgendwann wird es Abend und ich möchte aufbrechen, ab morgen wird es für mich anstrengend. Wir laufen an einer Bäckerei vorbei, die mittlerweile überall in Nepal aus dem Boden sprießen, dort sind rosa-glänzende Doughnuts in der Auslage. Chhiring ruft mir ein Taxi und während wir warten kaufe ich den Kindern jeweils noch einen Doughnut. Zusammen zahle ich vielleicht 1,50€ – das ist für so eine Nascherei in der Regel unerschwinglich, dadurch konnte ich den Kindern eine große Freude machen. Und Chhiring auch. Als das Taxi kommt verabschiede ich mich und bin glücklich, wieder hier zu sein. Ich freue mich auf das, was kommt.